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Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt

    Es ist Samstagnachmittag. Wir stehen an der Kasse eines Gartencenters, glücklich darüber, ohne große Diskussionen mit unserem Sohn an Dinosauriers, Süßigkeiten und Co. vorbei gekommen zu sein. Plötzlich ein lauter Schrei. Alle Kunden in der Schlange schauen sich erschrocken an. An der Nachbarkasse liegt ein kleines Mädchen brüllend am Fußboden. Sie strampelt mit den Beinen und schlägt wild um sich. Vor ein paar Minuten hatte ich sie noch mit ihrer Mutter lachend vor einem Regal mit Kuscheltieren gesehen.  Doch nun war die Enttäuschung groß. „Nein, heute nehmen wir kein neues Kuscheltier mit nach Hause.“ Aus der Enttäuschung wird schnell ein ausgewachsener Wutanfall.

    Die missbilligenden Blicke der älteren Kunden und die Hoffnung der Mutter den Laden so schnell wie möglich verlassen zu können – wie gut ich diese Situation kenne. Glück und Traurigkeit, Mut und Angst, Freude und Wut sind in einem Leben mit kleinen Kindern oft nur einen Steinwurf voneinander entfernt. Ein falsches Wort, als auch eine falsche Geste, der missglückte Versuch die Strümpfe alleine anzuziehen, sowie der falsche Snack beim Abholen aus der Kita oder auch nur ein zerbrochener Keks können ausreichen und eine bis dahin glückliche Welt stürzt ein.

    Die turbulente Gefühlswelt

    Für uns Erwachsene oft noch schwer genug, ist das Kontrollieren von Gefühlen für Kinder einfach nicht möglich. Sie werden von ihren Gefühlen regelrecht überwältigt und reagieren dann impulsiv. In Angstsituationen möchten sie am liebsten wegrennen oder auch sich verstecken. Die Energie, die in ihnen aufsteigt, wenn etwas nicht so verläuft wie gehofft, muss einfach irgendwie aus dem Körper raus. Der rationale Teil ihres Gehirns ist noch nicht ausreichend entwickelt und überwiegt immer noch das limbische System, auch emotionales Gehirn genannt. Es ist der Bereich des Gehirns, der unsere Wut, Angst und Freude kontrolliert. Somit sind Kinder mit 4 Jahren schon durchaus in der Lage, Regeln zu verstehen und zu akzeptieren, jedoch können sie den Impuls noch nicht regulieren, der aus einer Enttäuschung spontan Wut werden lässt.

    Mit diesem Wissen im Hinterkopf sieht man als Eltern etwas verständnisvoller solch herausfordernden Situationen entgegen. Wir wissen ja selbst wie anstrengend es sein kann, diese Impulse zu unterdrücken und mit unseren Gefühlen für uns und unserem Gegenüber achtsam umzugehen.

    Diese Fähigkeit, sein eigenes Verhalten zu steuern, müssen unsere Kinder erst erlernen. Ein erster und wichtiger Schritt auf diesem Weg ist das bewusste Wahrnehmen, Benennen und Akzeptieren der eigenen Emotionen und der Gefühle von anderen Kindern. Es ist die Grundvoraussetzung für eine spätere Regulierung. Der Kurs bietet einen geschützten Raum, um mit kleinen und großen Helden der Kinderliteratur aktiv verschiedene herausfordernde Situationen zu erleben, Parallelen zu unserem Alltag zu finden sowie mögliche Strategien und Lösungswege auszuprobieren.

    Wie atmet eine kleine Maus, die sich vor der Katze im Mäuseloch versteckt?

    Sie hat bestimmt große Angst, ihr Herz klopft wild und vielleicht hat sie sogar Bauchschmerzen. Jeder kennt das Gefühl. Man ist ängstlich vor nicht nur neuen und unbekannten, sondern auch unheimlichen Dingen. Angst macht uns vorsichtig und das ist manchmal auch gut so. Doch meist fürchten wir uns grundlos. Das unheimliche Geräusch im Dunkeln kommt meist nicht von einem Monster unterm Bett, sondern vom Wind, der mit den Baumwipfeln spielt und dabei am Fenster rüttelt. Man muss sich nur trauen den Dingen auf den Grund zu gehen. Mutig ist der, der seine Angst überwindet und aus einer kleinen Maus einen großen stolzen Löwen werden lässt!

    Veröffentlicht bei Knirpse & Co. im November 2021

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